Politisch aktuell, mit einer kritischen Note und einem klaren Bekenntnis gegen eine rechte Gesinnung, eröffnete das Vokalensemble des Augustinus-Gymnasiums mit „Schrei nach Liebe“ von den Ärzten oder der „besten Band der Welt“ die diesjährige Entlassfeier unseres Abiturjahrgangs 2024 in der festlich geschmückten Max Reger Halle.

„Ziemlich genau 20 Jahre ist es her“, so die Eingangsworte der anschließenden Abiturrede unseres Schulleiters, OStD Thomas Kreuzer, dass ein bildungspolitisches Experiment gestartet worden ist und mit dem heutigen Tag faktisch sein Ende findet. Ihr seid, so Kreuzer, der letzte reguläre G8-Abiturjahrgang, obwohl eigentlich vor 20 Jahren bereits ein neuer G9-Lehrplan den damaligen 5.Klassen angeboten wurde, aber auf politischen Wunsch hin mit einem Federstrich durch das G8 ersetzt worden ist und sprichwörtlich in die Papiertonne getreten wurde. Der Schulleiter erläutert knapp und bündig die Auswirkungen dieses Beschlusses, der wesentlich mehr Nachmittagsunterricht forderte, die 2. Fremdsprache in die 6. Jahrgangsstufe und die Zweigwahl in die 8. Jahrgangsstufe nach vorne rücken ließ. Zudem fehlten in den ersten Jahren regelmäßig Bücher, da die Verlage mit der Nachfrage überfordert waren, Intensivierungsstunden freiwillig und manchmal auch verpflichtend wurden etabliert, aus dem 4-Fächer-Abitur wurde das 5-Fächer-Abitur mit den Fächern Mathe und Deutsch schriftlich verpflichtend und mit dem Abiturjahrgang 2011 wurde ein Doppelabitur zeitlich versetzt gestemmt, damit die Universitäten irgendwie die doppelte Anzahl der Studienanfänger bewältigen konnten. Natürlich fragt man sich, warum das Ganze? Das primäre Ziel der G8-Reform, so erläutert unser Schulleiter, sei gewesen, das Schulentlassungsalter in Deutschland zu senken, damit die Abiturientinnen und Abiturienten früher in den Arbeitsmarkt eintreten können. Kritisch nimmt er dabei Stellung, dass in der Bildungspolitik oft nicht genuin auf Bildung ausgerichtete Argumente eine Rolle spielen. Aber dies sei in der deutschen Geschichte schon öfter passiert. Zu Zeiten des 2.Weltkriegs verringerte man die Schulzeit auf zwölf Jahre mit dem Ziel der Aufrüstung der Wehrmacht, nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland kehrte man bereits 1951 wieder zum Abitur nach 13 Jahren zurück, um sich bewusst dem ideologischen Erbe des Nationalsozialismus zu entledigen. Die DDR hingegen hielt am Reifezeugnis nach 12 Jahren fest, um die kürzere Schulzeit und das eigene Bildungssystem als effizienter darzustellen. Nach der Wende schwenkten sukzessive alle Bundesländer auf das G8 um und bereits ab den 2010er Jahren wurde dieses Experiment in den meisten Bundesländern wieder beendet. Der Schulleiter schließt diesen bildungspolitischen Exkurs mit den Worten an die Abiturientinnen und Abiturienten, dass es trotz vieler Studien schwer zu beurteilen ist, ob nun wirklich alles schlecht gewesen sei, denn viel entscheidender sind die eigenen, individuellen Bildungsexperimente, die eigenen Erfahrungen jedes einzelnen, „euere“ eigene Schulkarriere.

Schule und Bildung ist für die Kinder da und muss von den Kindern her gedacht werden

Mit Stolz verkündet OStD Kreuzer, dass die Abiturientinnen und Abiturienten des Jahrgangs 2024, dem letzten G8-Jahrgang, alle ihre Schullaufbahn erfolgreich abgeschlossen haben. Alle angetretenen Schülerinnen und Schüler haben bestanden, fünf Mal wurde die Traumnote 1,0 erreicht, 24 haben eine 1 vor dem Komma und insgesamt hat der Jahrgang einen hervorragenden Abiturschnitt von 2,20 erzielt. Trotz aller Beschlüsse, die für Schülerinnen und Schüler nicht unbedingt günstig wirken, hat es letztlich funktioniert – weil es vor allem darauf ankommt, dass hier vor Ort Menschen sind, die die Sache zum Erfolg bringen. An erster Stelle stehen hier natürlich die Abiturienten selbst, die gelernt, geübt, sich gegenseitig unterstützt und geholfen haben. Der Schulleiter dankt aber auch den Eltern, Angehörigen, den Lehrkräften, der Schulverwaltung und nicht zuletzt der Oberstufenkoordinatorin Frau Dr. Butz und dem Oberstufenkoordinator Herrn Richter, die von der Fächerwahl bis hin zur letzten Abiturprüfung alles perfekt organisiert haben.
Mit dem heutigen 28.Juni 2024, so Kreuzer, verlassen die Abiturientinnen und Abiturienten das Augustinus-Gymnasium, ein Jahrgang mit vielen engagierten Schülerinnen und Schülern, ein Jahrgang, der fehlen wird. Im kommenden Schuljahr starten die letzten beiden Jahre des G9. Und sollten sich die G8-Abiturientinnen und Abiturienten grämen, ein Jahr zu früh eingeschult worden zu sein, beruhigt der Schulleiter, dass auch mit dem G9 seiner Meinung nach nicht alles gut sein wird. Sehr kritisch bemerkt er, dass die zweite Fremdsprache in der 6. Jahrgangsstufe bleiben wird, ein Leistungsfach nur ein halber Schritt im Vergleich zu zwei Leistungskursfächern ist, das Deutschabitur im Vergleich zu anderen Bundesländern schwerer und eine fünfstündige! Matheabiturprüfung länger als ein Staatsexamen in Mathematik sein wird. Aus der Geschichte scheint hier niemand zu lernen und Kreuzers bildungspolitische und pädagogische Grundprämisse, dass Schule und Bildung für die Kinder da sei und von den Kindern her gedacht werden müsse, findet hier kaum Beachtung.
Abschließend konstatiert Thomas Kreuzer, dass den Abiturientinnen und Abiturienten jetzt mit dem Zeugnis der Hochschulreife alle Wege offen stehen und er wünscht allen persönliches Glück, viel Erfolg auf den weiteren Lebenswegen sowie Gottes Segen.

In der anschließenden Abiturrede, gehalten von Lea Kurzka, Christian Stahl und Julius Schmidt, wird von unseren stolzen und meist souveränen Abiturienten ihre Freude über das von allen bestandene Abitur zum Ausdruck gebracht. Dabei wird nicht vernachlässigt, dass in den vergangenen acht Jahren viele gemeinsame Dinge erlebt wurden und Highlights wie Chortage, Konzerte, Wandertage, Sportveranstaltungen und vieles mehr unvergessen bleiben werden. Nicht nur Bücher, vor allem das Schulleben – SMV, Technikteam, Chor, Orchester, etc. – habe sie geprägt, ihnen gezeigt, dass Durchhaltevermögen und Ausdauer zum Ziel führen. Die Abiturienten betonen, dass sich in den vergangen Jahren nicht nur jeder Einzelne entwickelt hat, sondern dass sie zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen sind und sich Freundschaften entwickelt haben, die vielleicht ein Leben lang halten werden. Dabei ergeht auch Dank an alle Lehrkräfte, die Oberstufenkoordinatoren und den Schulleiter, die sie auf ihrem Weg unterstützt, auch mal über den Unterricht hinaus Hilfe geboten haben und auch für Sorgen und Probleme stets ein offenes Ohr hatten. Als Ratschlag an einige Lehrkräfte betonen die Abiturienten, dass es durchaus zu überdenken sei, ob das jeweilige Unterrichtsfach wirklich das wichtigste sei. Eine Erkenntnis diesbezüglich würde das Leben einiger Schülerinnen und Schüler doch sehr erleichtern.

In ihrer Rede geben unsere Abiturienten aber auch soziologische Denkanstöße. Freiheit bedeutet für sie nicht, das Fähnchen im Wind zu sein, es erfordert auch Werte, Normen und Ziele, an die man sich bindet. In ihrer Schulzeit wurden ihnen wichtige Werte, wie Freiheit, Gleichheit oder Solidarität vermittelt, mit dem Eintritt in die Welt außerhalb der Schule werden sie aber nun auch mit konträren Wertvorstellungen konfrontiert werden. Und nun liege es an ihnen selbst, ihren Werten treu zu bleiben, Rückgrat zu beweisen und Standhaftigkeit zu zeigen auch gegen Unrechtes oder etwas, was sich „Geist der Zeit“ nennt. Christian Stahl appelliert an seine Mitschülerinnen und Mitschüler ihr robustes Wertefundament diszipliniert einzusetzen und sich dabei zu fragen, wer man (einmal) gewesen sein will und was man dafür bereit gewesen ist, zu geben.
Das Instrumentalensemble rundete die Reden mit „Merry go round of life“ musikalisch anspruchsvoll ab.

Nun war es soweit  – unsere Abiturientinnen und Abiturienten wurden zur feierlichen Verleihung ihrer Abiturzeugnisse durch Oberstufenkoordinatorin Dr. Johanna Butz auf die Bühne gebeten. Musikalisch unterstützt von eigens ausgewählten Musikstücken nahmen die jungen Damen und Herren voller Stolz, meist sehr elegant ihr Zeugnis über die Hochschulreife entgegen. Frau Dr. Butz kündigte die Abiturientinnen und Abiturienten gebührend an, der Schulleiter fand dabei für jede Absolventin, jeden Absolventen einige persönliche Worte und gratulierte ihnen aufrichtig und herzlich.

Auszeichnungen und Erwähnungen für besondere Leistungen und herausragendes Engagement wurden in den Kategorien „Schülersprecher/SMV“, „Musik“, „Sport“, „Technik“ und „Sanitätsdienst“ ausgelobt. Eine Mitgliedschaft in der Deutschen Physikalischen Gesellschaft erhalten Lukas Bücherl, Elias Gallersdörfer und Leo Siegert. Die Gesellschaft Deutscher Chemiker ehrt Franziska Grillmeier, Elisa Spörl und Julian Steinsdörfer, der auch die goldene Ehrennadel des Deutschen Altphilologenverbandes verliehen bekommt. Ein Glückwunschschreiben der Kulturbevollmächtigten, Frau Ministerpräsidentin Anke Rehlinger erhalten Aghayeva Laman, Pierre Glatigny, Sarah Schieder und Elisa Spörl, die auch als jahrgansgsbeste Abiturientin ausgezeichnet wurde.

Im Anschluss an die offiziellen Feierlichkeiten luden die Abiturientinnen und Abiturienten zu einem gemeinsamen zwanglosen Fest bei Speis und Trank im Pausenhof des Augustinus-Gymnasiums.

Michael Brandl